Wie die "Schlagwerker" wurden, was sie sind...
Er hat den europäischen
Percussion-Markt revolutioniert: Gerhard Priel, Gründer und
Geschäftsführer der Firma Schlagwerk. Seine ersten Trommeln jedoch baute
der gelernte Schreiner in einem umgebauten Schweinestall.
Quelle:
SWP (Südwest Presse) vom 30.9.2014
Einfach mal drauflos basteln und damit letztlich genau ins
Schwarze treffen. Davon träumen viele.
Gerhard Priel jedoch hat es
geschafft. Der gelernte Schreiner hat mit dem Bau von Trommeln und
Percussion-Instrumenten ein ums andere Mal den richtigen Riecher
bewiesen. Heute ist er Geschäftsführer eines international erfolgreichen
Unternehmens. Die Instrumente der Firma Schlagwerk dürfen in kaum einer
Musikschule mehr fehlen, kommen auf vielen großen und kleinen Bühnen
zum Einsatz.
Doch das entstand nicht von einem Tag auf den anderen.
Mehr als 30
Jahre ist es mittlerweile her, dass Priel seine erste Trommel gebaut
hat. „Das war in den frühen 80ern“, erzählt er. „Wir verbrachten im
Sommer jede freie Minute am See. CD-Player gab es noch keine. Also haben
wir unsere eigene Musik gemacht. Und wer nicht Gitarre spielen konnte,
der hat eben getrommelt.“ Priel gehörte zu letzteren, befand sich damals
in der Ausbildung zum Schreiner bei der Firma Fetzer in Hohweiher nahe
Hermaringen.
„Irgendwann war ich diese marokkanischen Bongos dann leid. Ein
Bekannter von mir war zu der Zeit viel in Brasilien unterwegs und
brachte von dort eine Schlitztrommel mit.“ Ein bis dato in Deutschland
gänzlich unbekannten Instrument aus Holz, mit dem sich verschiedene
Klänge erzeugen lassen. „Ich dachte, dass müsse sich doch nachbauen
lassen.“ Gedacht, getan: Mit seinem Schreiner-Kollegen Bengt Schumacher
machte sich Priel ans Werk. „Bengt kam von einem Bauernhof in
Hohenmemmingen. Da hatten wir Platz in einem ehemaligen kleinen
Schweinestall und eine Grundausstattung an Werkzeug.“ Eine Bauanleitung
allerdings hatten die beiden Tüftler nicht. „Wir haben einfach solange
probiert, bis es gepasst hat. Und dann hatten wir plötzlich ganz viele
Freunde, die alle so ein Teil haben wollten.“
Aus einer Trommel wurden zehn, aus zehn zwanzig und irgendwann stand
fest: Das ist es. „Wir hatten beide keine Lust auf ein
Angestelltenverhältnis. Da war die Chance, wir haben sie genutzt und uns
nach der Ausbildung selbstständig gemacht“, sagt Priel. Die Firma
Schlagwerk Klangobjekte war gegründet und fortan stetig auf
Kunsthandwerkermärkten vertreten. Die Nachfrage wurde immer größer, das
Sortiment auch und die provisorische Werkstatt auf dem Bauernhof schnell
zu klein. Eine Schreinerei in Priels Heimatstadt Geislingen bot Ersatz.
„Das war eine richtige Meister-Eder-Werkstatt“, erzählt der heute
57-Jährige. „Alt und urig.“
Bereits einige Monate später war Schlagwerk erstmals mit einem Stand
auf der Musikmesse in Frankfurt vertreten. Erste internationale Kontakte
wurden geknüpft, Branchenluft geschnuppert. „Wir haben schon geschaut,
was die Anderen machen“, sagt Priel. Nur, dass es von „den Anderen“ noch
nicht sehr viele gab. „Stimmt schon, die meisten Instrumente, die wir
gebaut haben, waren vorher in Europa so nicht erhältlich.“
Das Konzept:
Ethnologische Instrumente, großteils aus Afrika oder Südamerika, mittels
handwerklicher Arbeit auf europäischen Standard bringen.
Holzplatte statt Trommelfell
Marktanalysen seien daher nur selten gemacht worden. „Wir haben die
Nachfrage ja erst geweckt und hatten einfach Spaß am Bauen und
Experimentieren“, so der Trendsetter, der bereits Ende der 1980er das
Potenzial der Cajón, einer im Grunde simplen Holzkiste aus Peru,
erkannte. „Eigentlich war das die Hochzeit der Congas“, erklärt Priel
und meint Stehtrommeln, die insbesondere im Bereich der Latin-Musik zu
Hause sind. „Aber dafür war der Markt schon zu groß, Da konnten wir mit
unseren Produktionsmitteln nicht mithalten.“ Also wurde kurzerhand nach
Alternativen gesucht, Holzplatten kamen statt Trommelfellen zum Einsatz
und schnell fiel der Blick auf das im südamerikanischen Peru längst
angewandte Verfahren.
Anfang der 1990er Jahre ging dann die erste
Schlagwerk-Cajón in Serie. „In den ersten Jahren wurden wir schon etwas
belächelt“, gibt Gerhard Priel zu. Dass die Holzkiste aber einen solchen
Boom erfahren würde, hätte zu der Zeit auch der Optimist noch nicht
geglaubt.
1994 wurde auch die Werkstatt in Geislingen zu klein. Eine alte
Fabrik im nahen Gingen an der Fils wurde komplett umgerüstet und bot
vorerst genügend Platz, um weiter zu wachsen. Von Giengen nach Gingen.
„Dennoch waren wir bis etwa 2005 in Sachen Cajón völlig konkurrenzlos“,
sagt Detlef Börgermann, seit zehn Jahren als zweiter Geschäftsführer bei
Schlagwerk und vor Allem zuständig für Marketing und Kommunikation. Die
lange Phase sei zwar für die Entwicklung ganz gut gewesen, Konkurrenz
belebe aber auch das Geschäft.
So erlebte die Cajón um 2005 in Europa einen Aufschwung, der
seinesgleichen sucht. „Das kam mit einer Akustik-Welle. Jede Band
brachte auf einmal akustische Versionen ihrer Songs heraus. Da eignet
sich eine Cajón natürlich hervorragend“, erklärt Priel. Und Börgermann
ergänzt: „Zudem können sich Neuigkeiten mittlerweile dank Internet und
Social Media viel schneller verbreiten. Die Idee der Cajón ist so gut,
das musste nur sichtbar werden.“
Etwa 35 Mitarbeiter sind inzwischen bei Schlagwerk angestellt. Die
meisten sind gelernte Schreiner, die die Instrumente stetig
weiterentwickeln. „Das geschieht aus dem laufenden Betrieb oder auch auf
Wunsch der Musiker. Dieses Feedback ist uns sehr wichtig“, sagt Priel.
So wächst die Firma weiter und weiter. Längst wurde auch der Platz in
Gingen knapp. „Wir haben uns aber im Gegensatz zu vielen anderen aus der
Branche dagegen entschieden, in Fernost zu produzieren“, beteuert
Börgermann. Ein klares Ja zum Standort. So befindet sich eine weitere
Halle derzeit im Bau. 2000 Quadratmeter groß und direkt nebenan.
Cajón: Eine Holzkiste wird zum Verkaufsschlager
Ursprünglich entstanden Cajones in Peru aus Transportkisten für
Fische oder Orangen. Sklaven, meist afrikanischer Herkunft, nutzten
diese als Ersatz für ihre traditionellen Trommeln, die ihnen weggenommen
worden waren.
Der Name Cajón ist spanisch und lässt sich ins Deutsche tatsächlich
mit „Holzkiste“ übersetzen. Noch immer ist der Hauptbestandteil des
Instruments Holz. Auch die Schlagfläche, die meist mit Händen bespielt
wird, besteht anstelle einer Fellbespannung aus einer Holzplatte.
Im Inneren befinden sich oft Stahlsaiten oder Drähte, die bei
entsprechendem Anschlag dem typischen Snare-Klang eines Schlagzeugs
gleichkommen. Durch den Korpus lässt sich außerdem ein Bass-Effekt
erzeugen, weshalb die Cajón oft als Schlagzeugersatz gehandelt wird.
In den 1980er Jahren hauptsächlich im Flamenco beheimatet, erfuhr das
Instrument in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom.
Heutzutage kommt die Cajón in beinahe sämtlichen Musikrichtungen zum
Einsatz – besonders häufig im Bereich der akustischen (unplugged)
Musik.
Timo Landenberger
30. September 2014